Das Fehn

Jahrhunderte hat das Moor, dessen einsame Pfade nur wenigen bekannt waren, seine Hauptfunktion als Schutzgürtel Ostfrieslands erfüllt. Erst im Laufe der Zeit stieg seine Bedeutung in wirtschaftlicher Hinsicht, denn im waldarmen Ostfriesland war Brenntorf ein begehrtes Heizmaterial. So hatte auch der erste Versuch, das Moor von Rhaude aus zu besiedeln, rein wirtschaftliche Beweggründe. 1669 wollten die Emder Kaufleute Harm von der Berge und Rötger Francisi einen Graben, "ein Fehn", ausheben um dadurch die Torfgewinnung ertragbringend betreiben zu können - doch der Versuch scheiterte.

Noch einmal sollten 100 Jahre bis zur endgültigen Besiedlung des Fehns ins Land gehen. Am 22. Juli 1765 erließ Friedrich der Große das "Edikt wegen Urbarmachung der in unserem Fürstentum Ostfriesland und dem Harlinger-Lande befindlichen Wüsteneyen...", das sie Grundvoraussetzungen für die planvolle Erschließung der Moore schuf. 1769 wurde das "Rhauderfehn" gegründet.

Zur Entwässerung wurden bis 1774 der Hauptfehnkanal, der als " Untenende" heute den Ortskern bildet, und ein Verbindungskanal zur Leda gegraben, sowie eine Schleuse einrichtet. Die Verlängerung des Hauptfehnkanals, das heutige "Rajen, war später die Aufgabe der Siedler.

Diese sogenannten "Fehntjer" erhielten drei bis sechs Hektar große Flurstreifen in Unterpacht. Die Moorhufen begannen an der Wieke und liefen senkrecht ins Moor hinein. Ihre Höfe setzten die Kolonisten enggedrängt an die Wieken, so dass kilometerlange Häuserreihen beidseitig die Kanäle begleiten.

Torfsoden aufgeschichtet, das Dach mit Heidekraut und Stroh notdürftig abgedeckt, bot die Unterkunft ihren Bewohnern kaum Schutz vor Witterung. Oftmals bildeten ein paar Eimer, ein Topf, ein durchgesägtes Heringsfass oder ähnliches den armseligen Hausrat, dem die Einrichtung im Inneren der Pullenhütte entsprach. Meist dauerte es Jahre, ehe die Siedler auf dem abgetropften Teil ihres Kolonates ein massives Steinhaus errichten konnten, das "Eenkoekenshuus", das den einzigen Wohnraum mit dem umfangreichen Wirtschaftsteil unter einem Dach vereinigte.

Die Fehntjer gruben den Schwarztorf des Hochmoores ab. Das Torfstechen war von jeher ein viel Kraft und Asudauer erfordernder Arbeitsprozess. Bei der nur im Sommer möglichen Torfgewinnung war jeder Kolonist auf die Hilfe der anderen angewiesen. Meistens bildeten fünf Mann ein "Ploeg". Jeder in der Gruppe war zugleich "Bunker", "Sticker", "Gräber", "Korsetter" und "Kroder". Der Bunker räumte mit einem speziellen Spaten die oberste Torfschicht ab, die nicht als Brenntorf taugende Bunkererde. Anschließend stach der Sticker mit einer stählernen Schneide die Torfschicht in möglichst gleichlange Stücke. Ihm folgte der Gräber, der mit einem schaufelartigen "Jager" die eingeschnittenen Torfsoden waagerecht aus der Torfwand löste und auf ein Brett setzte. Dann hatte der Korsette diese feuchten Torfstücke mit der "Settförk" auf einen speziellen Karren zu heben. Und schließlich häufte der Kroder die volle Karre zum "Schlag" auf, der auf einer ebenen Fläche am Rande des Grabungsfeldes lag.

Per Schiff wurde der Schwarztorf nach Leer transportiert und dort als Brenntorf verkauft. Als Rückfracht brachten die Torfkähne Marschboden, Schlick und Stallmist mit. Dieses Material wurde bei der Kultivierung der Hufen mit dem Wisstorf und dem Sanduntergrund vermischt. Neusiedler trieben die Spitzen der Wieken immer weiter ins Hochmoor hinein, so dass sich die kultivierte Fläche des Fehns ständig vergrösserte.

Die Kanäle und Inwieken wurden teilweise verfüllt. Die einst schiffbaren Kanäle - die Lastenträger von einst wurden durch moderne Lastenträger, die Straßen ersetzt. Das Kanäle und Wieken zur Entwässerung dienten, hatte man nicht bedacht. Heute merkt man es immer mehr.